Kategorien
Kulturprojekte

dillingen.social // Mastodon

Ich liebe das Internet! Seine Wandelbarkeit und Freiheit, seine Verknüpfungen und Beziehungen, sein unerschöpfliches Reservoir an Wissen und Möglichkeiten.

Und ich liebe es, mich mit Menschen zu verbinden! Mit Menschen, die meine Interessen und Erfahrungen teilen – aber auch mit Menschen, die Neues versprechen und ganz anders sind als ich selbst.

Social Media, insbesondere Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp) und Alphabet (YouTube), haben in den letzten Jahren zu einer ziemlichen Konzentration und Einseitigkeit der Social Network Aktivitäten geführt. Für Unternehmen führt quasi kein Weg mehr an ihnen vorbei, um für ihre Zielgruppe präsent zu sein – mit allen Konsequenzen (Influencer, Werbung, Algorithmen, etc.). Und auch privat ist der kleinste gemeinsame Nenner (bzw. die größte individuelle Reichweite) oft eine der oben genannten Plattformen.

Weil es halt so bequem ist, alles an einem Ort zu haben. Aber wenn dieser Ort durchkommerzialisiert wird, ist er leider gerade nicht mehr frei und wandelbar, mit wertvollen alten und neuen Erfahrungen – sondern nur noch mächtig; und das Reservoir aller Beziehungen ausschöpfend.

Die Inhalte werden (für mich) zunehmend irrelevant. Menschen aus meinem Umfeld teilen Inhalte weniger freigiebig, weil sie möglicherweise – mir zumindest geht es so – zunehmend Bedenken haben, was mit ihren Daten passiert. Und wem gehen Werbung und Influencer eigentlich nicht tierisch auf die Nerven?

via GIPHY

Seit einiger Zeit habe ich ein lokales Social Network für die Region, in der ich wohne, im Sinn, um Dinge, Aktivitäten und Gedanken zu teilen, Veranstaltungshinweise zu geben und von Erfahrungen zu berichten – außerhalb von geschlossenen Kita-, Arbeits- oder Vereins-Messengergruppen. Als jüngst Twitter übernommen und entstellt wurde, hörte ich von einer Twitter-Alternative, die sich eventuell für die Umsetzung meines Vorhabens eignen könnte: Mastodon.

Open Source, werbe- und trackingfrei – sowie: über ein verteiltes Netzwerk verbunden. D.h. viele kleine Netzwerke verbinden sich zu einem Großen, dem Fediverse. Die Server für die kleinen Netzwerke werden von der Community selbst betrieben und können sich eigene Regeln geben, wobei es für die Verknüpfung einen Basiskanon gibt. Und alle Posts einer Instanz können in einer eigenen Timeline (lokale Timeline) angezeigt werden.

Eine lokale Timeline? Volle Datenkontrolle auf einem eigenen Server? Lokale und überregionale Beziehungen und Inspirationen? Zusammenarbeit bei Betrieb und Moderation? Open Source und eine inklusive, menschenfreundliche Haltung? Sounds pretty perfect…

Zusammen mit meinem Kollegen Andrija habe ich dann flux einen Server eingerichtet für den Landkreis Dillingen an der Donau – und alle Menschen, die sich mit ihm verbunden fühlen.


Wie Mastodon funktioniert:

Kurz und bündig – chip.de

Ausführlich – metacheles.de


Drei Tipps für den Start aller Dillingerinnen und Dillinger, die sich näher für die Kontrolle ihrer Daten interessieren – und gleichzeitig auch ein wenig Spaß haben möchten:

  1. Ihr könnt euer Konto „privat“ schalten, sodass ihr bestätigen müsst, wer euch folgen darf:
  1. Wenn ihr Mastodon nur für den Augenblick nutzen wollt und kein Interesse an einer Historie in eurer Timeline habt, könnt ihr eure Beiträge automatisch löschen lassen.
  1. Folgt ein paar lustigen oder informativen Accounts aus dem Fediverse und freut euch, dass es dort humorvoll, freundlich und konstruktiv zugeht, z.B.:
  • @kriegundfreitag@troet.cafe
  • @team@perspective-daily.de
  • @elhotzo@mastodon.social
  • @Gargron@mastodon.social (Gründer und Erfinder von Mastodon)
  • @swr2wissen@social.tchncs.de
  • @janboehm@edi.social

Mastodon wurde für den Browser entwickelt und ist darin sehr gut benutzbar. Diese Apps eignen sich gut fürs Smartphone/Tablet:

Tusky (Android)

metatext (iOS)

Und wer auf dem PC noch mehr Möglichkeiten möchte, kann zu Sengi (Windows, Mac, Linux) greifen.

Kategorien
Kolumne: "Coming Home"

Nochmal neu im Alten anfangen

● Diesen Beitrag kannst du auch anhören

„Abnabeln“ ist ja meist ein recht einschneidendes und vor allem punktuelles Ereignis. So kann man meinen Fortgang aus dem Landkreis Dillingen sicher nicht beschreiben. Es war ein Abschied auf Raten nach meinem Zivildienst in der Lauinger Elisabethenstiftung 2007. In den ersten Semestern meines Studiums in München bildeten immer noch die Jugendliebe, der Handballverein und die Band mein Gravitationszentrum, das mich stets zuverlässig in den Landkreis Dillingen zog. Das sollte sich mit dem Ende des Studiums, das ich zeitgleich mit meiner Jugendliebe abschloss, ändern.

Wir zogen nach Konstanz und die Anziehungskraft ließ mit größer werdender Entfernung nach. (Ich grüße an dieser Stelle erst- und einmalig meine ehemaligen Physiklehrer am Sailer-Gymnasium, die mir dieses Sprachbild seinerzeit sicher nicht zugetraut hätten). Die Jugendliebe wurde meine Ehefrau und spätestens mit der Geburt unserer Kinder am Bodensee entwickelt sich ein ganz neuer Anziehungspunkt mit Gewicht. (Ja, Herr Möller, es müsste „Masse“ heißen, nicht Gewicht, aber das funktioniert sprachlich halt nicht).

Unser Leben in Südbaden hat nur noch wenig mit dem Alltag oder den Beziehungen in Nordschwaben zu tun, obwohl ich in Vollzeit für das Gundelfinger Familienunternehmen arbeite. Klar, die obligatorischen Hochzeiten, Weihnachten, runde Geburtstage, wenn nicht gerade Pandemie ist, ziehen uns zurück. Aber Konstanz gibt uns die Chance uns neu zu (er)finden. Und das tun wir. Wir schließen uns politischen, sozialen und ökologischen Initiativen und Vereinen an. Wir verfolgen unseren Traum vom eigenen Kulturzentrum und versuchen uns selbst als Künstler, als ein Krankenhaus vor dem Abriss noch einen letzten Auftritt bekommt. Ich gründe einen Kulturverein, organisiere einen Pop-up Space, mache Veranstaltungen zum Thema „Soziales Unternehmertum“.

Als der Traum vom eigenen Kulturzentrum schließlich doch platzt, ziehen wir gerade innerhalb der Stadt um und die Pandemie in Deutschland ein. Die neue Erdgeschosswohnung mit Garten hilft, die Herausforderungen der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen zu bewältigen. Sie zeigt uns aber auch, wie sehr wir die Lebensform unserer Kindheiten in Kicklingen und Gundelfingen schätzen. Ein eigener Garten, nah an Wald und Flur. Für 80 € pro Monat mieten wir sogar eine Garage dazu.

Aus mehrerlei Gründen, die noch Gegenstand dieser Kolumne sein werden, beschließen wir Ende 2020, den Bodenseenebel gegen den Nebel der Donauauen zu tauschen. Dass wir nicht die Einzigen mit dieser Idee sind, sehen wir in der Presse und auf dem unentspannter werdenden Immobilienmarkt. Sei‘s drum, wir kommen! Handeln statt Hadern, lautet jetzt die Devise. Das Familienunternehmen bietet die Chance meine Vorstellungen von mehr sozialer Nachhaltigkeit und integrierter Kultur im Kleinen umzusetzen und das Lebenswerk des Vaters fortzuführen.

Diese Kolumne schreibe ich aus der Perspektive eines Wiederkehrers, der seine persönlichen Erinnerungen mit den Erfahrungen aus der Fremde kombinieren und die Besonderheiten des Landkreises neu entdecken will. „Annabeln“, kann das gelingen? Was erwartet uns „zuhause“? Und wie erwartet es uns? Sind die Sportvereine noch so attraktiv wie damals? Wovon werden wir Abschied nehmen müssen? Neben allen offenen Fragen steht eines aber jetzt schon fest: die Jugendliebe kommt mit.